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Zukunft für alte Obstsorten

Josef Stein / 28.04.2021

Im Rahmen des Projekts „Apfel.Birne.Berge – alte Obstsorten im Alpenvorland“ wurden seit 2015 in 6 Landkreisen über 300 vom Aussterben bedrohte Apfel- und Birnensorten gefunden. Im Berchtesgadener Land ist der Trägerverein Biosphärenregion BGL e. V. Projektpartner und ko-finanziert das vom Bayerischen Naturschutzfonds getragene Gesamtprojekt. Ziel ist es nun, diesen vergessenen Sorten eine Zukunft zu geben. Sie sollen in Erhaltungsgärten aufgepflanzt, der breiten Bevölkerung präsentiert und nach einer Bewertung der Fruchtqualität, Fruchtverarbeitung und Wuchs durch Veredelung wieder in den lokalen Streuobstwiesen verbreitet werden.

Die ersten Sorten sind vergangenes Jahr von einer Obstbaumschule veredelt worden. Schwieriger als eine geeignete Baumschule zu beauftragen, ist allerdings die Suche nach einer Fläche, auf der die Bäume gepflanzt und gepflegt werden. Im Herbst 2019 traf sich Kreisgartenfachberater Sepp Stein mit Andreas Buchwinkler auf einer Wiese, die dieser mit Legehühner in mobilen Ställen bewirtschaftet. Da Buchwinkler für seine Hühner Schutz vor Greifvögeln und Stein einen Platz für 100 Birnen und 100 Apfelbäume braucht, waren sich die beiden schnell einig, dass die knapp zwei Hektar eine gute Option zur Errichtung des Erhaltungsgarten sind.

Das Besondere an dem Standort: Die Hühner übernehmen nicht nur die Mahd, ohne die Bäume zu beschädigen, sie vertilgen auch die Larven von Schadinsekten und düngen zugleich die Bäume. Stein sieht die Kombination „Hühnerobst“ als „eine Form der Landwirtschaft der Zukunft, bei der man durch eine Doppelnutzung der Fläche Synergien nutzt“.

Die Planung sieht vor, dass im nördlichen Teil 100 Spindelbäume - 50 Apfel, 50 Birnen- in einem Viertelkreis, vor Wildverbiss durch einen Zaun geschützt gepflanzt werden. Da die Nachzucht der kleineren Spindelbäume weniger lange dauert als bei Hochstämmen, wird die Spindelanlage schon im Herbst 2022 angelegt werden. Neben der schnelleren Verfügbarkeit der Bäume haben Spindelbäume den Vorteil, dass Sie schon ein bis zwei Jahre nach der Pflanzung Früchte tragen. Bei Hochstämmen kann dies sortenbedingt fünf bis acht Jahre dauern. Durch den früheren Ertrag der Spindeln kann man so schon bald Aussagen über die Wuchs- und Fruchtqualtäten treffen und so Interessenten Edelreiser mit entsprechenden Informationen zur Sorte zum veredeln zur Verfügung stellen.

Im Frühjahr 2023 werden dann die Hochstämme von der Baumschule geliefert. Diese werden in weiteren Bogenreihen abwechselnd Birnen- und Apfelbäume gepflanzt. Zwei neuen Meter breite Fahrten sind für die mobilen Hühnerställe freigehalten. Somit können die Tiere in den stetig wechselnden Einzäunungen jeden Quadratmeter der Fläche beweiden. Bezüglich Beweidung ist auch geplant, im Frühjahr und im Herbst nach der Obsternte Schafe auf die Obstwiese getrieben werden; eine weitere Doppelnutzung, bei der die Schafe durch ihren Huftritt die Wühlmausgänge eintreten und somit den Wühlmausdruck auf der Fläche erheblich senken.

Zusätzlich werden auf der Fläche Bienen gehalten, die zur Blütezeit für eine optimale Befruchtung der Obstblüten sorgen und neben der Bestäubungsdienstleistung Honig produzieren.

2SortenerhaltungsgartenBGL

Planung des Obsterhaltungsgarten in Haberland

Bei der Planung, Mittelakquise und Realisierung des Sortenerhaltungsgartens erfolgt mit wertvoller Unterstützung durch den Landschaftspflegeverband Biosphärenregion Berchtesgadener Land. Vorstand Anton Kern freut sich „auf eine einzigartige Genressource, die wir bei unserer Arbeit zur Förderung der Streuobstwiesen nutzen werden“.

Ein weiterer wichtiger Partner für das Projekt ist der Kreisverband Gartenbau und Landschaftspflege Berchtesgadener Land, der bei der geplanten Pflanzung der 100 Hochstämme und 100 Spindelbäume sowie bei deren Pflege seine tatkräftige Unterstützung angekündigt hat. Vorstand Andreas Lexhaller sieht in dem Projekt die „große Chance, durch den Erhaltungsgarten das Interesse an Streuobst und insbesondere an Lokalsorten bei der Bevölkerung zu wecken“.
Mit dem Startschuss des Erhaltungsgarten in Haberland wird vom Kreisverband ein Arbeitskreis Pomologie (Obstkunde) ins Leben gerufen. Diese Gruppe bildetet sich in Sachen Obstsortenkunde- und Pflege fort und steht für alle Interessierten offen.

Die Verwaltungsstelle der Biosphärenregion plant Projekte zur nachhaltigen Entwicklung mit Kindern und Erwachsenen, sobald die Bäume größer sind und die Fläche als Streuobstwiese erkennbar ist.

Die Aktion wurde von einem Reporter des rfo begleitet. Ein kurzer Beitrag liegt in der Mediathek des rfo zum nachsehen.

ObstbaumVeredelung

von links nach rechts: Kreisfachberater Sepp Stein, Flächenbesitzer Andreas Buchwinkler, Vorstand des Landschaftspflegeverbands BGL Toni Kern, Sortenkundler von Apfel.Birne.Berge Georg Loferer, Vorstand Kreisverband für Gartenbau BGL Andreas Lexhaller, Vorstand des Trägervereins Biosphärenregion BGL Bernhard Kern

Veredeln

 

 

Neben den 2022 und 2023 zu pflanzenden 100 Hochstämmen und 100 Spindelbäumen wurden bereits im vergangenen Herbst drei Apfelbäume und zwei Birnbäume auf der „Hühnerwiese“ gepflanzt. Bernhard Kern, Vorstand des Trägervereins Biosphärenregion BGL, Georg Loferer, Sortenkundler im Projekt Apfel.Birne.Berge, Toni Kern, Andreas Lexhaller, und Sepp Stein haben diese nun veredelt. In den kommenden Jahren werden weitere vom Kreisverband organisierte  Veredelungskurse stattfinden, sodass jährlich weitere Sorte auf die fünf Mehrsortenbäume aufgepfropft werden. Auf die Apfelbäume wurden unter anderem die Sorten „Danziger Kant“, „Roter Boskoop“ und „Topaz“ und auf die Birnbäume „Herzogen Elsa“, „großer Katzenkopf“ und „Gute Luise“ aufgepfropft. Diese alten und neueren Standardsorten dienen dann neben den Unbekannten als Vergleichsfrüchte.

Kreisgartenfachberater Sepp Stein demonstriert Bernhard Kern (links) das Vorgehen beim Veredeln der Obstbäume.



Text: Sepp Stein, Fotos: Alexandra Rothenbuchner


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